Der Goldtopas

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Diese Geschichte trug sich vor vielen, vielen Jahren zu.
Ein alter Zwerg, der mit großer Erfahrung und seltener Geschicklichkeit gesegnet war, schliff einen Goldtopas zu einem funkelnden Wunderwerk und faßte ihn in Gold. Ein Ring von seltener Schönheit entstand. Der alte Zwerg arbeitete seine geheimsten Wünsche und Gedanken der Liebe, der Treue und der Sehnsucht nach einem schönen Mädchen in diesen Stein hinein.
Kennst du, lieber Leser, den edlen Stein, der Goldtopas heißt? Er ist eines der kostbarsten und großzügigsten Geschenke unserer Mutter Erde an die Menschen. Ein Goldtopas beherbergt ein leuchtendes Farbenspiel, das von einem hellen Gelb bis zum feurigen Orange alle Nuancen in sich vereint, ein Feuerwerk aus Glut und Sanftmut zugleich, warm wie die Strahlen der Sonne.
Die Geschichte es Rings mit dem herrlichen Goldtopas war die folgende:
Es lebte einst ein noch junger, aber vom Leben enttäuschter und ermüdeter Mann. Er hatte die Welt und die Menschen kennen gelernt und beides hatte ihn abgestoßen und angewidert. Die Menschen, mit denen er zu tun hatte, waren selbstsüchtig, habgierig und heuchlerisch. Sie dachten nur an sich und an den eigenen Vorteil.
So kehrte der junge Mann dieser Welt den Rücken und ging in die Einsamkeit. Er zog sich zurück, lebte in einem prachtvollen, einsamen Haue voller Bücher, umsorgt von einer alten Magd, die schon bei seinen Eltern gedient hatte.
Er verschenkte seine gute Kleidung, verschloß den Schmuck. Nur einen Ring behielt er, und das war der klare, feingeschliffene Goldtopas seiner Mutter, ein leuchtendes Kleinod von erstaunlicher Schönheit.
Oft saß der jung Mann im großen Studierzimmer, blickte versonnen vor sich hin, betrachtete den Ring und dachte nach. Trostlos waren seine Gedanken. Die Einsamkeit bedrückte ihn und die Abgeschiedenheit lastete schwer und quälend auf ihm.
An diesem Abend war es kühl und im Kamin flackerte ein Feuer. In Gedanken versunken saß der junge Mann im Sessel und blickte auf den gelben, im Kerzenlicht funkelnden Stein. Er wünschte sich leidenschaftlich für kurze Zeit einen aufrichtigen und verständnisvollen Freund herbei, der seine Einsamkeit vertreiben und etwas Abwechslung und Freude in sein eintöniges Dasein bringen würde. Er sehnte sich nach einem geistreichen Gespräch, nach einer angenehmen Unterhaltung.
Plötzlich trübte sich der Glanz des Steines in der Tiefe. Verwundert und aufmerksam blickte der junge Mann auf den Topas: Aus der Trübung formte sich eine liebliche Frauengestalt, wurde immer größer und deutlicher. Das Bild bewegte sich, hob den Kopf und sprach: "Du hast mich gerufen. Ich komme dich besuchen. Wende dich ab, denn ich habe keine Kleidung. Erlaube mir, deinen Mantel zu nehmen."
Der junge Mann tat, wie ihm geheißen.
"Jetzt dreh dich wieder um", sagte eine zarte Stimme.
Vor den erstaunten Augen des Mannes stand ein zauberhaftes Geschöpf mit golden schimmernder Haut, mit langem, goldgelbem Haar und fröhlichen Augen.
"Da du mich gerufen hast, komme ich, um dir eine Stunde lang Gesellschaft zu leisten. Dann muß ich zurück. Von meinem Besuch hier darf niemand etwas erfahren."
Der Mann blickte auf den Ring: In seiner Mitte war die Kontur einer weiblichen Gestalt und sie war leer...
Die Stunde verging sehr schnell. Als das Mädchen den leeren Platz im Stein wieder eingenommen hatte, fühlte sich der junge Mann noch einsamer und verlassener als zuvor. Jetzt sehnte er sich nach diesem schönen, klugen und sanften Wesen und wünschte dieses Geschöpf, das so anregend und mit so viel Geilst und Charme zu plaudern verstand, zurück. Ohne sie spürte er die Einsamkeit noch bedrückender.
Am nächsten Morgen eilte er in die Stadt, kaufte die feinsten Stoffe aus Seide, Samt und Brokat, die ausgesuchtesten Speisen und die köstlichsten Früchte. Zu Hause angekommen, bestellte er ein Festessen bei der Magd und holte den alten Schmuck seiner Mutter wieder hervor.
Mit Ungeduld zählte er die Stunden. Der Abend kam. Der junge Mann verschloß die Tür, setzte sich zu Tisch und rief in Gedanken das Mädchen zu sich.
Wieder trübte sich der Stein und wie am Abend zuvor kam das zauberhafte Wesen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Der Mann schloß die Augen und wartete, bis das Mädchen um ein Kleidungsstück bat.
"Auf dem Diwan liegen Kleider und Stoffe für dich, daneben steht eine Schatulle mit Schmuck. Das alles gehört dir. Schmücke dich, kleide dich an!"
Gehüllt in kostbare Stoffe sah die Fremde noch schöner aus. Wie verzaubert blickte er sie an und vermochte nichts zu sagen. Die Stunde verstrich.
"Ich muß gehen", sagte sie schließlich und legte den Schmuck ab.
"Bleib noch einen Augenblick", bat er.
"Ich darf nicht."
"Wie kann ich dich für immer bei mir behalten?", fragte der junge Mann.
"Das kannst du nicht, das kann niemand. Ich bin durch einen Zauber für ewige Zeiten an den Stein gebunden und darf ihn nicht verlassen, nicht länger als eine Stunden und die ist nun um."
"Bleib bei mir! Ich liebe dich und möchte dich heiraten!"
"Heiraten, wo wie die Menschen es tun, kann ich nicht. Aber wenn du mich so liebst, wie du es sagst, so werde ich deine Frau. Nur mußt du dir vorher gut überlegen, ob du dich für immer an ein Geschöpf aus Stein binden willst."
"Ich will, ich will!", rief der Jüngling ohne zu zögern aus.
"Gut so! dann komme ich morgen wieder, um unsere Hochzeit zu feiern. Bereite alles Nötige vor!"
Das Mädchen streifte sanft seine Wange und verschwand. Der Ring nahm seine gewöhnliche Form an.
Den darauf folgenden Tag verbrachte der junge Mann mit fieberhaften Vorbereitungen für seine Hochzeit. Nichts schien ihm gut genug für seine Braut.
"Mein junger Herr ist von Sinnen", klagte die alte Magd, "er spricht am Abend mit sich selbst, kauft Frauenkleidung ein und jetzt bereitet er sogar ein großes Fest vor und lädt niemanden dazu ein. Da stimmt etwas nicht! Es ist ein Jammer, der junge Herr ist nicht mehr klar im Kopf."
Als die Dämmerung anbrach, war der Tisch festlich mit Blumen geschmückt und zwei Silbergedecke standen darauf. Das Mädchen kam, zog ein reich besticktes, weißes Kleid an, empfing aus der Hand des Mannes den Ehering und setzte sich zu Tisch.
"Stoßen wir auf unser Eheglück an!", schlug der verliebte Bräutigam vor.
Das taten sie, dann speisten sie gemeinsam, lachten und waren sehr glücklich.
Von dem Tag an erschien die junge Frau jeden Abend für eine Stunde im Studierzimmer und das war die glücklichste Stunde des Tages für beide. So ging ein Jahr vorüber.
Eines Abends sagte die junge Frau beim Abschied:
"Lieber Gemahl, ich kann jetzt eine Woche lang nicht kommen. Warte auf mich und vergiß mich nicht!"
Diese Woche erschien dem Mann wie eine Ewigkeit. Jeden Abend saß er da, betrachtete den Ring an seinem Finger und rief seine Frau zu sich. Der Stein trübte sich einige Male, aber sie kam nicht.
Endlich waren sieben Tage vorüber und die Ersehnte erschien. Sie brachte einen kleinen Knaben mit, ein winziges Geschöpf, genau so golden und schön wie die Mutter.
"Dies ist dein Sohn! Nimm ihn, taufe ihn nach eurem Brauch und erziehe ihn gut. Ich werde täglich eine Stunde mit euch verbringen."
Das ganze Leben des Mannes veränderte sich. Jetzt hatte er endlich nicht nur den Sinn seines Lebens gefunden, er übernahm auch Verantwortung.
Die alte Magd hörte Kindergeschrei und eilte herbei. Vor ihr stand ihr Herr mit einem kleinen Knaben im Arm.
"Hier ist mein Sohn. Besorge eine Amme für ihn."
Nun hielt es die Dienerin nicht mehr aus. Nicht genug, daß ihr Herr Selbstgespräche führte, Geste ohne einen einzigen Gast feierte und andere seltsame Dinge tat, jetzt hatte er auch noch ein Kind ins Haus gebracht. Sie lief zu den Nachbarn, beriet sich lange mit ihnen und schließlich siegte die Neugier: Man beschloß gemeinschaftlich, an der Tür zu lauschen, um zu erfahren, was der Herr eigentlich tat.
An einem der nächsten Abende schien die junge Frau bedrückt. Sie koste ihr Kindchen, weinte öfters und blickte traurig und still vor sich hin. Auch den Mann ergriff eine merkwürdige Unruhe.
"Was ist geschehen? Du bist heute ganz anders als sonst?"
"Heute war ich zum letzten Mal mit euch zusammen", antwortete sie, "die Menschen haben mich aufgespürt, sie haben mich entdeckt und gesehen. Sie sind auch jetzt ganz nahe. Ich muß euch verlassen und darf nicht wiederkommen."
Sie weinte bitterlich. Umsonst versuchte ihr Mann, sie zu beruhigen, umsonst bat er sie, ihn und den kleinen Sohn nicht zu verlassen. Es war alles vergebens. Sie ging und kam nicht wieder.
Tage und Wochen verstrichen. In den Abendstunden, in denen die Mutter sonst zu kommen pflegte, weinte das Kind. In traurige Gedanken versunken saß der Mann da und rief vergebens nach seiner Lebensgefährtin. Sie kam nicht. Die Oberfläche des Steines blieb glänzend, klar und kalt. Das goldene, sanfte Wesen, das so viel wärme und Freude verströmte, war verschwunden.
Der Spätherbst brachte trübe, nasse Abende. Die dürren, entlaubten Zweige, vom Wind bewegt, klopften wie ungebetene Gäste ans Fenster. Unzählige Regentropfen rannen die Glasscheiben entlang wie bittere, trostlose Tränen. Die Einsamkeit und die Sehnsucht des jungen Mannes, der nachdenklich in seinem Studierzimmer saß, erreichten ihren Höhepunkt. Er stand auf, wickelte das schreiende Kind in eine Decke, streifte den ihm jetzt verhaßt gewordenen Ring vom Finger, warf ihn ins Feuer und wollte aus dem Zimmer gehen. An der Tür aber hielt ihn die bekannte Stimme auf: "Wartet doch auf mich! Ich gehe mit euch!"
Mitten im Raum stand die Langersehnte und streckte ihre Arme nach dem Sohn aus. Das Feuer im Kamin war erloschen und der wertvolle Ring mit dem Goldtopas für immer verschwunden.
Die kleine glückliche Familie verließ unbemerkt die Stadt und baute sich gemeinsam ein neues Zuhause in einer unbekannten Gegend auf.


"Auch hier gab es wieder Kummer", sagte die Feenkönigin traurig.
"Aber auch hier war das Ende gut. Nur der Stein wurde vernichtet. Aber wenn dich meine Geschichten so aufregen, dann erzähle ich nicht weiter."
"Noch eine, dann machen wir Schluß."
"Dann hör dir die Geschichte von einem seltenen Brillanten an."
Murami überlegte kurz und begann zu erzählen...






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